Vom Suchen und Finden

Das Streben nach Glück ist eines der wichtigsten Bedürfnisse der Menschheit. So formuliert es schon die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten. Doch was Glück ist, definiert jeder für sich selbst.

Michael Ostrowski begegnet in seiner Sendung „Ostrowski sucht das Glück“ unterschiedlichen Menschen und Sichtweisen darüber, Glück zu finden. Vielen Menschen ist dieser Begriff von jeher fremd. Die Suche nach Glück erweist sich oft als Erstes-Welt-Problem, denn in unserer Gesellschaft wird einem das glücklich sein schon fast aufgezwungen. „Du sollst mit deinem Job zufrieden sein, gut aussehen, gesund leben, eine Partnerschaft führen“. Diese Floskeln stellen die Prinzipien in unserer Charta des Streben nach Glücks dar. In anderen Ländern geht es ums reine Überleben. Die Frage nach Glück stellt sich dort gar nicht.

Das Suchen nach Glück in der kapitalistischen Gesellschaft ist ein Privileg. Es wird von der uns eingeflößten Gier nach Anerkennung überschattet. Anerkennung unserer selbst, unserer Arbeit, unserer Kinder, unseres Besitzes. „Jeder kann es zu etwas bringen, man muss nur etwas aus sich machen“ hört man oft. Verwirtschaftlichung und Konkurrenz werden als wichtige Faktoren angesehen, stehen uns aber oft im Weg. Um Glück zu finden, bedarf es keiner großen Mittel. Die Frage nach dem Glück geht mit der Erkenntnis des Sinn des Lebens einher: Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst.

Ein sinnvolles Leben bedeutet in unserer Gesellschaft einem sinnvollen Job nachzugehen, glückliche Nachkommen zu zeugen und am Ende zufrieden auf unser Leben zurückzublicken. Anders genannt: Das Märchen vom Zufriedensein. Denn wer kann das schon behaupten. Eindrücklich beschreibt Jorge Luis Borges:

„Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte,
im nächsten Leben würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen.

Ich würde nicht so perfekt sein wollen,
ich würde mich mehr Entspannen.

Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin,
ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen.
Ich würde nicht so gesund leben.
Ich würde mehr riskieren,
würde mehr reisen,
Sonnenuntergänge betrachten,
mehr Bergsteigen,
mehr in Flüssen schwimmen.

Ich war einer dieser klugen Menschen,
die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten;
freilich hatte ich auch Momente der Freude,
aber wenn ich noch einmal anfangen könnte,
würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben.

Falls du es noch nicht weißt,
aus diesen besteht nämlich das Leben;
nur aus Augenblicken;
vergiß nicht den jetzigen.

Wenn ich noch einmal leben könnte,
würde ich von Frühlingsbeginn an
bis in den Spätherbst hinein barfuß gehen.
Und ich würde mehr mit Kindern spielen,
wenn ich das Leben noch vor mir hätte.

Aber sehen Sie … ich bin 85 Jahre alt
und weiß, daß ich bald sterben werde.“

Es geht ums Fehler machen, um das Genießen von Momenten, um das Annehmen von Herausforderungen und das Schwimmen gegen den Strom. Zumindest definiere ich so Glück – für mich – persönlich.

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