Timisoara

Die Grenze ist nicht mehr weit, die sie von der Heimat ihrer Großmutter – ihrer Vergangenheit – trennt. Die Gegenwart hat sie hinter sich gelassen. Den Streit mit den Eltern. „Wieso willst du nicht ins Familienunternehmen einsteigen? Wir haben alles für dich aufgebaut. Jetzt machst du es kaputt.“ Gedanken über die Zukunft. „Studier‘ doch etwas Vernünftiges.“ Das Grab ihrer Großmutter und die Bilder, die sie nach ihrem Tod zurückließ.

„Weißt du, ich hab‘ als Mädchen gern‘ gemalt, aber dann kam der Krieg, und ich musste früh zu arbeiten anfangen. Dann war der Krieg zu Ende und ich kam nach Russland. Was da passiert ist, das kannst du nicht verstehen. Aber das Malen, das hab‘ ich immer gern‘ gemacht. Jetzt seh‘ ich erst, wie wichtig es mir ist. Aber ich hab‘ nicht mehr lang. Deshalb versprich mir, dass du was in deinem Leben machst, das dir Spaß macht.“

Die Worte der Großmutter gehen ihr noch immer durch den Kopf, obwohl sie schon lange tot ist. Gesichter verblassen. Worte vergisst man nie.

An was sie sich auch immer erinnert: Den Mohnschnuller, den ihre Großmutter als Kleinkind von ihren Eltern bekam, damit sie einschlief. „Das war halt früher so, da haben sich die Menschen noch nicht so viele Gedanken über Erziehung gemacht. Wer weiß, ob’s mir geschadet hat. Sonst hätt‘ ich vielleicht nicht so tolle Bilder gemalt, wenn ich nie am Mohn gezuzelt hätt‘.“

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